Die angespannte Personalsituation in den österreichischen Krankenhäusern führt zunehmend zu Engpässen in den Notaufnahmen. Ärzte sowie Pflegekräfte arbeiten am Limit, um die steigenden Patientenzahlen zu bewältigen.
„An manchen Tagen fahren bis zu zehn Rettungswägen in weniger als einer Stunde bei uns ein“, berichtet eine Ärztin aus der Notaufnahme. „Dabei sind eigentlich nur halb so viele Zufahrten pro Stunde eingeplant. Die Patientenströme überfordern das verfügbare Personal zunehmend.“
Überfüllte Warteräume, stundenlange Wartezeiten
Die Folge sind überfüllte Warteräume und frustrierende Wartezeiten für die Patienten. „Wir arbeiten an solchen Tagen bis zu 12 Stunden durch, ohne Pause“, schildert eine Ärztin. „Irgendwann kann man nur noch abarbeiten, auch wenn das Beste für die Patienten geben möchte. Da bleibt kaum noch Zeit für die Details, die so wichtig wären.“
Dieser Personalmangel könne auf Dauer die Patientensicherheit gefährden, warnen Experten. Übermüdete Ärzte und Pfleger machen eher Fehler. Und wenn wir Patienten nicht mehr so gründlich betreut werden können, wie es nötig wäre, steigt auch das Risiko für Komplikationen.
Akute und lebensbedrohliche Fälle haben Vorrang
Bei lebensbedrohlichen Notfällen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder schweren Verletzungen zählt jede Sekunde. Hier muss sofort gehandelt werden. In solchen Fällen umgehend die Notrufnummer144 wählen. Durch das Wählen dieser Nummer ist in ganz Österreich flächendeckend die nächste Rettungsleitstelle rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr erreichbar. Diese entscheidet, welche Rettungsmittel zum Notfallort gesendet werden.
Auch Bewusstlosigkeit, starke Atemnot oder schwere Verbrennungen sind Gründe, schnell den Krankenwagen zu rufen oder selbst in die Notaufnahme zu fahren. Gleiches gilt für Kinder mit sehr hohem Fieber – hier darf keine Zeit verloren gehen.
Vorsicht bei „Bagatellen“
Viele Patienten suchen die Notaufnahme jedoch bei Beschwerden auf, die eher in die Kategorie „Bagatelle“ fallen. Etwa bei leichten Erkältungen, kleineren Verletzungen oder chronischen Erkrankungen, die sich gerade verschlimmern. Das führt dazu, dass die wirklich dringenden Fälle unnötig lange warten müssen.
„Natürlich ist es verständlich, dass Patienten in Notlagen verunsichert sind und lieber auf Nummer sicher gehen“, berichtet eine Oberärztin. „Aber in vielen Fällen wäre der Hausarzt oder der Ärztenotdienst die bessere Anlaufstelle. So könnten wir die Notaufnahmen für die Patienten freihalten, die unsere Hilfe wirklich dringend brauchen“.
Manchester-Triage-System (MTS) gibt Aufschluss über die Dringlichkeit der Behandlung
In Notfallambulanzen werden Patienten nach Dringlichkeit ihrer gesundheitlichen Beschwerden eingeteilt und werden nicht nach der Zeit ihres Eintreffens behandelt. Hierfür wird das Manchester-Triage-System angewendet. Ausgebildete diplomierte Pflegekräfte nehmen in einem ersten kurzen Gespräch zunächst das Beschwerdebild auf und messen die Vitalfunktionen des Patienten wie Blutdruck oder Körpertemperatur. Im Anschluss werden die Patienten nach Dringlichkeit in verschiedene Kategorien eingeteilt:
Rot: Lebensgefährliche Beschwerden, sofortige Behandlung
Orange: Sehr dringende, aber nicht lebensbedrohliche Fälle, Wartezeit bis 10 Minuten
Gelb: Mittelmäßige dringende Fälle, Wartezeit bis 30 Minuten
Grün: Normale Fälle, Wartezeit bis 60 Minuten
Blau: Nicht dringende Fälle, Wartezeit 120 Minuten
„Gerade in der Grippezeit oder an Wochenenden sind unsere Notaufnahmen völlig überlaufen“, berichtet eine Krankenschwester aus der Klinik. „Da müssen Patienten mit wirklich bedrohlichen Beschwerden leider viel zu lange warten, weil die Kapazitäten durch weniger dringende Fälle ausgeschöpft sind.“
Das ist ein Fall für die Notaufnahme
Patienten mit folgenden Beschwerden sind richtig in der Notaufnahme:
- Lebensbedrohliche Beschwerden wie akuter Brustschmerz, unangenehm empfundenes Herzrasen, akute Atemnot, Kreislaufkollaps mit nachfolgendem Bewusstseinsverlust
- Schwere Verletzungen
- Bewusstlosigkeit, starke Atemnot, massives Nasenbluten
- Einseitige Schwäche, Gefühlsstörungen an Gesicht, Armen und Beinen
- Akuter Schwindel, Gangstörung
- Hohes Fieber bei Kindern
- Starke, anhaltende Schmerzen, die nicht kontrollierbar sind
- Bluterbrechen
- Große, blutende Wunden oder schwere Verbrennungen
- Verdacht auf gebrochene Knochen
- Plötzliche, extreme Sehstörungen oder Spracheinschränkungen
Kein Fall für die Notaufnahme, sondern für den Hausarzt
Folgende Beschwerden werden vom Hausarzt abgeklärt und bei Bedarf behandelt:
- Leichte Erkältungssymptome wie Husten, Schnupfen oder Halskratzen
- Kleinere Verletzungen wie Schürfwunden, Prellungen oder leichte Verstauchungen
- Chronische Erkrankungen, die sich verschlimmern aber nicht lebensbedrohlich sind
- Durchfallerkrankungen ohne Erbrechen, die seit weniger als drei Tagen bestehen
- Harnwegsinfektionen ohne Fieber oder Flankenschmerzen
- Gelenkschmerzen ohne Verletzung
- Kleine Verletzungen oder Hautprobleme wie Insektenbiss, Zeckenbiss oder Sonnenbrand
Ärztenotdienst und Wochenenddienst Ärzte
Wenn am Wochenende der Hausarzt nicht erreichbar ist, aber die Beschwerden den Besuch in der Notaufnahme nicht gerechtfertigten, steht der ärztliche Bereitschaftsdienst in jedem Bundesland unter der Nummer 141 zur Verfügung.
Der Ärztenotdienst ist meist in den Nachtstunden von 19.00 bis 7.00 Uhr, an Wochenenden von Freitag 19.00 bis Montag 7.00 Uhr sowie an Feiertagen ganztätig besetzt.
Rat der Experten: Nur im Notfall in die Notaufnahme
Um die Situation in den Notaufnahmen zu entschärfen, appellieren Ärzte und Pflegekräfte an der Vernunft der Patienten. Bei Beschwerden, die keinen akuten Notfall darstellen, sollte zunächst der Hausarzt kontaktiert werden. Dieser kann dann beurteilen, ob eine Weiterbehandlung in der Notaufnahme nötig ist.
Jeder Notfall-Patient, der die Notaufnahme unnötig in Anspruch nimmt, blockiert dort einen Behandlungsplatz für Patienten, die ihn wirklich brauchen. Deshalb ist es so wichtig, dass man verantwortungsvoll abwägt, wann ein Rettungseinsatz tatsächlich erforderlich ist.
Nur bei akuten und lebensbedrohlichen Notfällen sollte umgehend der Rettungsdienst alarmiert werden. In allen anderen Fällen ist zunächst der Hausarzt oder der ärztliche Bereitschaftsdienst die richtige Anlaufstelle.